Wahlbeteiligung

Aachen

Rund 20 Prozentpunkte beträgt die Kluft, die in der Wahlbeteiligung zwischen Panneschopp und Walheim liegt. Doch auch auf anderer Ebene zeigt sich der Riss in Aachens Stadtbild: In den Vierteln, in denen die Bereitschaft zur Wahl zu gehen am geringsten ist, gehören rund fünfmal so viele Haushalte den sozial schwächeren Milieus an, können doppelt so viele Menschen keinen Schulabschluss vorweisen. Die Arbeitslosigkeit ist dreimal so hoch.

Mit 78,7 Prozent lag die Wahlbeteiligung in der Stadt Aachen zwar über dem Bundesdurchschnitt (71,5). Dennoch verbirgt sich auch in Aachen hinter dem gesamtstädtischen Durchschnittswert eine stark ausgeprägte soziale Ungleichheit bei der Wahlbeteiligung,

obwohl für diese Studie nur die Urnenwähler berücksichtigt werden konnten. Die Urnenwahlbeteiligung lag für die Gesamtstadt bei 50,2 Prozent. Eine Einbeziehung der Briefwähler hätte - wie die entsprechenden Analysen anderer Großstädte zeigen - die soziale Spaltung der Wählerschaft noch verschärft. Insgesamt zeigt sich auch für Aachen: Während in gut situierten Stadtvierteln nach wie vor überdurchschnittlich viele Menschen ihr Wahlrecht wahrnehmen, sind die sozial schwächeren Stadtviertel die Hochburgen der Nichtwähler.

  • Panneschopp 39,1%
    Walheim 59,2%

  • Rothe Erde 40,2%
    Oberforstbach 57,5%

Wo die Nichtwähler wohnen...

Im Stadtteil Panneschopp gingen am Wahlsonntag nur 39,1 Prozent der Wahlberechtigten an die Wahlurnen. Ein Blick auf die Milieustruktur zeigt ein äußerst homogenes Viertel: Nahezu alle Haushalte lassen sich den sozial prekären Milieus zuordnen, wobei der hohe Anteil an Hedonisten (über 60 Prozent) besonders hervorsticht. Angehörige der Mittel- oder Oberschicht sucht man hier dagegen meist vergebens. Hinsichtlich des Bildungsprofils fällt sofort der drastisch hohe Anteil an Haushalten auf, deren Bewohner keinen Schulabschluss vorweisen können: Jeder fünfte Bewohner in Panneschopp hat keinen der üblichen Schulabschlüsse. Sehr niedrig zeigt sich auch die (Fach-)Abiturquote, die bei 15 Prozent liegt. Mehr als 15 von 100 Erwerbsfähigen sind zudem von Arbeitslosigkeit betroffen und die Kaufkraft liegt nur bei rund 25.000 Euro, einem der niedrigsten Werte für das ganze Stadtgebiet. Die Bebauung ist mehrheitlich geprägt durch größere Miets- und Hochhäuser mit mehr als zehn Parteien, Ein- bis Zweifamilienhäuser fehlen nahezu gänzlich.

Mit nur 40,8 Prozent Beteiligung fällt auch im Stadtteil Rothe Erde die Teilhabe an der Wahl sehr gering aus. Die Milieu- und Sozialstruktur gleicht dabei in weiten Teilen dem bereits beschriebenen Schlusslicht Panneschopp. Im direkten Vergleich zeigen sich nur marginale Unterschiede: So sind in Rothe Erde die beiden wirtschaftlich schwächeren Milieus der Traditionellen und der Hedonisten annähernd gleichstark vertreten (beide mit jeweils rund 45 Prozent). Auch das Bildungsprofil gleicht den Verhältnissen in Panneschopp; der Anteil an (Fach-)Abiturienten beträgt 15 Prozent und 18 von 100 Schülern verlassen die Schule ohne Abschluss. Während Arbeitslosigkeit und Kaufkraft ebenfalls jeweils auf dem Niveau von Panneschopp liegen, dominieren in der Bebauungsstruktur eher Wohnhäuser mittlerer Größe.

… wo die Wählerhochburgen sind …

Ein völlig anderes Bild zeigt sich in den Stadtteilen mit einer hohen Wahlbeteiligung. In Walheim gaben 59,2 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme im Wahllokal ab - Aachens Bestwert. Die oberen Milieus sind stark vertreten, allen voran die Konservativ-Etablierten, die ungefähr ein Viertel aller Haushalte ausmachen. Das Milieu der Bürgerlichen Mitte stellt knapp ein weiteres Viertel und gemeinsam dominieren die Ober- und Mittelschichtmilieus die unterdurchschnittlich vertretenen sozial prekären Milieus. Im Vergleich zu Panneschopp und Rothe Erde beträgt der Anteil der Menschen ohne Schulabschluss nur wenig mehr als ein Drittel, die (Fach-)Abiturquote steigt hingegen auf mehr als das Doppelte (36,7 Prozent). Auch die Arbeitslosigkeit erreicht nur etwa ein Drittel des bei den Schlusslichtern ermittelten Wertes (fünf Prozent), während sich die Kaufkraft fast verdoppelt (44.000 Euro). Das Stadtbild wird mehrheitlich von Ein- bis Zweifamilienhäusern geprägt, größere Hochhäuser treten nur vereinzelt auf.

Was für Walheim gilt, lässt sich auch für Aachens Stadtteil mit der zweithöchsten Beteiligung der Urnenwähler feststellen. In Oberforstbach fanden sich am Wahlsonntag 57,5 Prozent der Wahlberechtigten im Wahllokal ein. Die Milieustruktur weist in weiten Teilen dieselben Charakteristika wie in Walheim auf, allerdings stellen hier die mittleren Milieus (und besonders die Bürgerliche Mitte mit knapp unter 30 Prozent) die meisten Haushalte. Auch im Bildungsbereich, bei der Kaufkraft und hinsichtlich der Bebauungsstruktur finden sich zwischen beiden Stadtteilen nur geringfügige Unterschiede. Zudem sind wenig mehr als drei von 100 Erwerbsfähigen in Oberforstbach von Arbeitslosigkeit betroffen, was nur einem Fünftel der Werte in Panneschopp und Rothe Erde entspricht.

… und wo die Wahlbeteiligung im Durchschnitt liegt

In der Mitte zwischen den beiden Extremen liegt der Stadtteil Burtscheider Kurgarten mit einer Beteiligungsquote an der Urnenwahl von 50,0 Prozent. Die Bevölkerungsstruktur ist deutlich heterogener: Ein Fünftel der Haushalte lässt sich den oberen Schichten zuordnen, etwa ein Drittel entstammt den wirtschaftlich schwächeren Milieus. Die größte Einzelgruppe bildet das Milieu der Adaptiv-Pragmatischen mit einem Anteil von rund 17 Prozent. Die (Fach-)Abiturquote liegt hier etwa zehn Prozentpunkte über den Werten in Panneschopp und zehn Prozentpunkte unter den Werten in Walheim.

Mit jedem Zehnten haben nur halb so viele Menschen keinen Schulabschluss wie in Aachens wählerschwächstem Stadtteil. Auch Arbeitslosigkeit und Kaufkraft finden sich auf einem durchschnittlichen Niveau zwischen den Stadtteilen am oberen bzw. unteren Ende der Beteiligungsskala. Vor allem Wohnhäuser mittlerer Größe prägen das Stadtbild und vermitteln den Eindruck eines rundum durchschnittlichen Viertels.

Fazit

Die Wahlbeteiligung ist auch in Aachen – wie in allen anderen untersuchten Großstädten Deutschlands – sozial gespalten. Während in sozial besser situierten Stadtteilen überdurchschnittlich viele Menschen ihr Wahlrecht ausüben,

ziehen sich in den ökonomisch schwächeren Vierteln viele Menschen aus der demokratischen Teilhabe zurück. Das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013 ist deshalb auch in Aachen, gemessen an der Sozialstruktur der Bevölkerung, nicht repräsentativ.