Stadtbericht

Stuttgart

15 Prozentpunkte liegen zwischen der Wahlbeteiligung in Zuffenhausen und jener in Degerloch – passend zum sozialen Gefälle zwischen diesen Bezirken. Insgesamt liegt in den wählerschwächsten Stuttgarter Stadtbezirken der Anteil ökonomisch schwächerer Haushalte rund sechsmal, der Anteil der Hochschulreife nur knapp halb so hoch wie den Bezirken mit der höchsten Beteiligung. Die Arbeitslosigkeit ist doppelt so hoch.

Mit 76,7 Prozent lag die Wahlbeteiligung in Stuttgart zwar über dem Bundesdurchschnitt (71,5). Dennoch verbirgt sich in Stuttgart hinter dem gesamtstädtischen Durchschnittswert eine erhebliche soziale Ungleichheit der Wahlbeteiligung. Während in gut situierten Stadtvierteln nach wie vor überdurchschnittlich viele Menschen ihr Wahlrecht wahrnehmen, sind die sozial schwächeren Stadtviertel die Hochburgen der Nichtwähler.

  • Zuffenhausen 68,8 %
    Degerloch 83,8 %

  • Mühlhausen 69,7 %
    Sillenbuch 83,4 %

  • Stuttgart – Gesamtstadt 76,7 %
    Hedelfingen 76,7 %

Wo die Nichtwähler wohnen ...

Am niedrigsten lag die Wahlbeteiligung mit 68,8 Prozent im Bezirk Zuffenhausen. Hier im Stadtnorden stellt das Milieu der Traditionellen knapp drei von zehn Haushalten. Hinzu kommen noch einmal rund 30 Prozent aus den Milieus der Hedonisten und Prekären, womit die ökonomisch schwächeren Milieus gemeinsam den Großteil der Bevölkerung ausmachen. Neben einer kleineren Bürgerlichen Mitte (elf Prozent) und einigen Sozialökologischen (acht Prozent) sind gerade die ökonomisch stärkeren Milieus nur sehr schwach vertreten. Einer Zwei-Drittel-Mehrheit mit Haupt- und Realschulabschlüssen steht weniger als ein Viertel der Menschen mit Fach- oder allgemeiner Hochschulreife gegenüber – für jeden Zehnten muss von fehlenden Abschlüssen ausgegangen werden. Für Stuttgarter Verhältnisse hoch liegt hier zudem die Arbeitslosenquote mit rund neun Prozent. In Sachen Bebauung dominieren klar die Mehrparteienhäuser; in größeren und großen Mietsblöcken sind zudem deutlich mehr Haushalte angesiedelt als in privaten Eigenheimen.

Sehr ähnlich gestaltet sich die Lage in Mühlhausen, wo mit rund 69,7 Prozent kaum mehr Menschen ihr Kreuz machten. Auch hier stellen die drei materiell benachteiligten Milieus der Traditionellen, Hedonisten und Prekären gemeinsam die absolute Mehrheit der Haushalte. Der ökonomische Mittelbau der Gesellschaft aus Bürgerlicher Mitte, Sozialökologischen und Pragmatisch-Adaptiven stellt dagegen nur rund 30 Prozent; Milieus der oberen Schichten treten allenfalls im niedrigen einstelligen Bereich in Erscheinung. Ebenso herrschen hier vor allem Haupt- und Realschulabschlüsse vor – die Abiturquote ist niedrig. Die Zahl der Arbeitssuchenden liegt im oberen Stuttgarter Bereich. Über 45 Prozent der Haushalte liegen in Wohnblöcken und Mietshochbauten, gefolgt von knapp 40 Prozent in Mehrparteienhäusern.

… wo die Wählerhochburgen sind …

Am entgegengesetzten Ende des Spektrums steht der Bezirk Degerloch mit einer Wahlbeteiligung von 83,8 Prozent, was dem Stuttgarter Spitzenwert entspricht. Knapp drei Fünftel der Haushalte können hier allein den Milieus der Konservativ-Etablierten, Liberal-Intellektuellen oder den Performern zugerechnet werden. Es folgen Expeditive und Vertreter der mittleren Schichten vor nur geringen Anteilen für Traditionelle, Hedonisten und Prekäre. Der Anteil der (Fach-)Hochschulreife an den Schulabschlüssen ist annähernd so hoch wie der Anteil an Haupt- und Realschulabschlüssen zusammen: Nirgends im Stadtgebiet besteht eine höhere Dichte an potenziellen Akademikern. Mit einer Quote von nur drei Prozent liegt die Arbeitslosigkeit auf – selbst für Stuttgarter Verhältnisse – sehr niedrigem Niveau. Eine Mehrheit der Haushalte ist entweder in kleinen Mehrfamilien- oder in Ein- bis Zweifamilienhäusern wohnhaft. Große Blöcke und Mietkomplexe sind zwar vorhanden, bleiben jedoch mit rund einem Fünftel der Haushalte klar zurück.

Im nahe gelegenen Stadtbezirk Sillenbuch lag die Wahlbeteiligung mit 83,4 Prozent nur knapp hinter dem Spitzenwert aus Degerloch. Jeder zweite Haushalt entfällt hier entweder auf die Liberal-Intellektuellen oder, etwas seltener, auf Konservativ-Etablierte. Während Milieus der mittleren Schichten teils nur knapp unter der Marke von zehn Prozent liegen (z. B. Bürgerliche Mitte), erreichen die Traditionellen als einziges der drei ökonomisch schwächsten Milieus überhaupt die Marke von fünf Prozent. Das Bildungsprofil des Bezirks ähnelt stark dem elitären Muster aus Degerloch: Der Anteil von Fach- und regulärem Abitur erreicht gut 43 Prozent. Die Arbeitslosenquote liegt mit sechs Prozent eher im Durchschnitt. Im Straßenbild des Stadtbezirks Sillenbuch sind alle Haustypen vertreten: jedoch lässt sich statistisch eine gewisse Tendenz zu kleineren und mittleren Mehrfamilienhäusern ermitteln.

… und wo die Wahlbeteiligung im Durchschnitt liegt

Exakt im Stuttgarter Wählerdurchschnitt liegt der Stadtbezirk Hedelfingen. Hier machten 76,7 Prozent der Wahlberechtigten von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Sofort fällt die Balance der Milieus ins Auge: neben einem recht starken zentralen Drittel von Bürgerlicher Mitte und Pragmatischen-Adaptiven sind sowohl die ökonomisch starken Milieus als auch die eher schwachen Traditionellen, Prekären und Hedonisten mit gemeinsam jeweils rund dreißig Prozent vertreten.

Entsprechend liegt auch die Verteilung der Bildungsabschlüsse im mittleren Bereich: Einem Anteil an Real- und Hauptschulabschlüssen von gut 60 Prozent steht eine (Fach-)Abiturquote von über 30 Prozent gegenüber. Zwar liegt die Arbeitslosigkeit im erhöhten Bereich (acht Prozent), dafür aber bestätigt die Bebauung das Bild eines Stadtbezirks im Mittelfeld: Auf kleinere und mittlere Mehrfamilienhäuser entfällt die Mehrzahl der Haushalte, während sich die restlichen Haushalte halbwegs symmetrisch sowohl auf Eigenheime als auch auf größere Blöcke verteilen.

Fazit

Die Wahlbeteiligung ist in Stuttgart – wie in allen anderen untersuchten Großstädten Deutschlands – sozial gespalten. Während in sozial besser situierten Stadtteilen überdurchschnittlich viele Menschen ihr Wahlrecht ausüben,

ziehen sich in den ökonomisch schwächeren Vierteln viele Menschen aus der demokratischen Teilhabe zurück. Das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013 ist deshalb auch in Stuttgart, gemessen an der Sozialstruktur der Bevölkerung, nicht repräsentativ.