Stadtbericht

Leipzig

Über 35 Prozentpunkte liegen zwischen den Wählerquoten von Volkmarsdorf und Schleußig. Diese Kluft trennt zwei völlig unterschiedliche Sozialräume: in den Nichtwähler-Hochburgen zählen rund dreimal so viele Haushalte zu den ökonomisch schwächeren Milieus, zweimal so viele Menschen verfügen über keinen Schulabschluss. Die Arbeitslosigkeit ist dreimal so hoch.

Mit 67,9 Prozent lag die Wahlbeteiligung in Leipzig unter dem Bundesdurchschnitt (71,5). Darüber hinaus verbirgt sich auch in Leipzig hinter dem gesamtstädtischen Durchschnitt eine erhebliche soziale Ungleichheit bei der Wahlbeteiligung. Während in gut situierten Stadtvierteln nach wie vor überdurchschnittlich viele Menschen ihr Wahlrecht wahrnehmen, sind die sozial schwächeren Stadtviertel die Hochburgen der Nichtwähler.

  • Volkmarsdorf 46,7%
    Schleußig 82,2%

  • Grünau-Nord 54,6%
    Zentrum-Nordwest 78,7%

  • Leipzig – Gesamtstadt 67,9%
    Zentrum-Südost 68,0%

Wo die Nichtwähler wohnen ...

Am niedrigsten lag die Wahlbeteiligung mit 46,7 Prozent im Stadtteil Volkmarsdorf im Osten Leipzigs, wo nicht einmal jeder zweite Wahlberechtigte seine Stimme abgab. Auch aus anderen Zahlen lässt sich schließen, dass der Stadtteil zu den sozial schwächeren Vierteln gehört. Gut zwei Drittel aller dort ansässigen Haushalte sind den sozial prekären Milieus zuzuordnen, die Hedonisten stellen mit 40 Prozent die größte Einzelgruppe dar. Nahezu jeder Fünfte verfügt über keinen einzigen Schulabschluss, die (Fach-)Abiturquote bewegt sich im niedrigen zweistelligen Prozentbereich. Die Arbeitslosigkeit erreicht dementsprechend dramatische Ausmaße: Rund 18 von 100 Erwerbsfähigen sind von ihr betroffen. Die stadtweit niedrigste Kaufkraft von etwa 21.000 Euro ist ein weiteres Indiz für die starke Benachteiligung des Viertels, dessen Erscheinungsbild mehrheitlich von größeren Miets- und Hochhäusern geprägt ist.

Nicht ganz so prekär, aber immer noch problematisch, stellt sich die Lage im Stadtteil Grünau-Nord dar, der mit nur 54,6 Prozent Wählerquote immerhin die symbolische Schwelle von 50 Prozent überschreitet. Über 60 Prozent der Haushalte entstammen den wirtschaftlich schwächeren Milieus, von denen rund die Hälfte auf die Hedonisten entfällt. Nur etwa jeder Sechste verfügt über (Fach-)Abitur, eine ähnlich große Prozentzahl kann überhaupt keinen Schulabschluss vorweisen. Die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch – wenn auch um einige Prozentpunkte niedriger als in Volkmarsdorf – und die Kaufkraft liegt bei nur 25.000 Euro. Nahezu drei Viertel aller Haushalte sind in Wohnhäusern mit mehr als zehn Parteien untergebracht.

Auch in anderen Stadtteilen mit unterdurchschnittlicher Wahlbeteiligung – wie etwa Schönefeld-Abtnaundorf, Mockau-Süd oder Paunsdorf – zeigen sich ähnliche soziale Probleme, wenn auch teilweise mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Ausprägungen bei den einzelnen Indikatoren (vgl. dazu die Tabelle im Anhang dieses Stadtberichts).

… wo die Wählerhochburgen sind …

Vollkommen umgekehrte Voraussetzungen findet man dagegen in Leipzigs Wählerhochburgen vor. Im südwestlichen, nahe der Innenstadt gelegenen Schleußig gaben über vier von fünf Wahlberechtigten ihre Stimme ab (82,2 Prozent). Diesem Leipziger Spitzenwert stehen auch Höchstwerte bei anderen gesellschaftlichen Kennzahlen gegenüber. So entspricht der Anteil der wirtschaftlich starken Milieus an allen Haushalten fast 50 Prozent und auch die mittleren Schichten sind durch die Adaptiv-Pragmatischen (rund ein Viertel der Haushalte) stark vertreten. Mehr als jeder Vierte verfügt über (Fach-)Abitur, der Anteil der Menschen ohne Schulabschluss hingegen ist nur halb so hoch wie bei den beschriebenen Schlusslichtern. Die Arbeitslosigkeit liegt unter fünf Prozent, während gleichzeitig die Kaufkraft anderthalbmal so hoch ist wie in Volkmarsdorf. Große Mietshäuser bestimmen zwar auch hier weitgehend das Stadtbild, der Anteil an Ein- bis Zweifamilienhäusern steigt im Vergleich zu Grünau-Nord und Volkmarsdorf jedoch sprunghaft an.

Auch der Stadtteil mit der zweithöchsten Wahlbeteiligung befindet sich in Leipzigs Westen: In Zentrum-Nordwest machten 78,7 Prozent der Wahlberechtigten ihr Kreuz. Die Milieustruktur gleicht der Struktur des Schleußigs; die größte Gruppe sind hier jedoch die Performer, zu denen gut jeder vierte Haushalt gezählt werden kann. Rund ein Drittel verfügt über (Fach-)Abitur und weniger als zehn Prozent haben überhaupt keinen Schulabschluss. Die Arbeitslosigkeit liegt noch unter der von Schleußig und zählt zu Leipzigs niedrigsten Werten. An der Kaufkraft gemessen liegt der Stadtteil Zentrum-Nordwest stadtweit an erster Stelle. Mit über 40.000 Euro pro Jahr steht einem Haushalt hier gut doppelt so viel zur Verfügung wie in Volkmarsdorf. Die Bebauung gleicht in der Regel dem Spitzenreiter Schleußig und passt so zum Bild eines innenstadtnahen, besser situierten Viertels.

Stark oder zumindest in einzelnen Aspekten vergleichbare soziale Lebensverhältnisse zeigen sich in Stadtteilen mit ebenfalls überdurchschnittlich hoher Wahlbeteiligung, wie in Marienbrunn, Südvorstadt oder Zentrum-Süd.

… und wo die Wahlbeteiligung im Durchschnitt liegt

Mit 68,0 Prozent stellt der Stadtteil Zentrum-Südost hinsichtlich der Wahlbeteiligung den Durchschnitt Leipzigs dar. Eine zwar vom Bürgertum geprägte, aber dennoch sozial relativ heterogene Bevölkerungsstruktur unterstreicht seinen Platz im Mittelfeld: Ein Viertel aller Haushalte zählt zu den sozial prekären Milieus, zu den wirtschaftlich stärkeren gehören rund ein Sechstel. Mit den Adaptiv-Pragmatischen stellt ein Milieu aus der Mittelschicht das Gros der Haushalte, ihr Anteil von über 35 Prozent entspricht dem Leipziger Spitzenwert.

Auch das Bildungsniveau liegt in der Mitte, orientiert sich jedoch stärker nach oben: Einem Viertel (Fach-)Abiturienten steht ein Anteil von knapp über zehn Prozent an Menschen ohne Schulabschluss gegenüber. Die Arbeitslosigkeit pendelt sich bei einem Mittelwert im oberen einstelligen Prozentbereich ein, die Kaufkraft von 35.000 Euro im Jahr übersteigt sogar den Wert des Stadtteils Zentrum-Nordwest. Für die zentrumsnahe Lage entspricht das Stadtbild den Erwartungen und ist mehrheitlich von größeren Miets- und Hochhäusern geprägt.

Fazit

Die Wahlbeteiligung ist auch in Leipzig – wie in allen anderen untersuchten Großstädten Deutschlands – sozial gespalten. Während in sozial besser situierten Stadtteilen überdurchschnittlich viele Menschen ihr Wahlrecht ausüben,

ziehen sich in den ökonomisch schwächeren Vierteln viele Menschen aus der demokratischen Teilhabe zurück. Das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013 ist deshalb auch in Leipzig, gemessen an der Sozialstruktur der Bevölkerung, nicht repräsentativ.