Stadtbericht

Kiel

37 Prozentpunkte trennen die niedrige Wahlbeteiligung in Gaarden-Ost von jener am Blücherplatz. Auch sozial sind die Abstände groß: wo kaum gewählt wird, liegt der Anteil der sozial schwächeren Milieus fünfmal so hoch wie in den Wählerhochburgen. Fast doppelt so viele Menschen besitzen keinen Schulabschluss, die Arbeitslosigkeit ist über sechsmal so hoch.

Mit 70,4 Prozent lag die Wahlbeteiligung in Kiel leicht unter dem Bundesdurchschnitt (71,5). Darüber hinaus verbirgt sich auch in Kiel hinter dem gesamtstädtischen Durchschnittswert eine erhebliche soziale Ungleichheit bei der Wahlbeteiligung. Während in gut situierten Stadtvierteln nach wie vor überdurchschnittlich viele Menschen ihr Wahlrecht wahrnehmen, sind die sozial schwächeren Stadtviertel die Hochburgen der Nichtwähler.

  • Gaarden-Ost 47,5%
    Blücherplatz 84,9%

  • Mettenhof 55,4%
    Moorsee 83,9%

  • Kiel – Gesamtstadt 70,4%
    Südfriedhof 70,1%

Wo die Nichtwähler wohnen ...

Am geringsten liegt die Wahlbeteiligung mit nur 47,5 Prozent in Gaarden-Ost – nicht einmal jeder zweite Wahlberechtigte gab hier seine Stimme ab. Extrem ist auch die Milieuverteilung: Rund 64 Prozent der Haushalte können allein den Hedonisten zugeordnet werden, gemeinsam erreichen die drei sozial schwächeren Milieus eine Dominanz von über 90 Prozent. Auf jedes Abitur kommen hier knapp zwei fehlende Abschlüsse (19 Prozent), während Haupt- und Realschulabschüsse gut eine Zwei-Drittel-Mehrheit erreichen. Nirgends im Kieler Stadtgebiet sind zudem mehr Menschen arbeitslos. Die Kaufkraft ist vergleichsweise niedrig, das Straßenbild wird größtenteils durch Mietshäuser, Wohnblöcke und Hochbauten geprägt. Klassische Eigenheime sind kaum vorhanden.

Mit 55,4 Prozent erreicht Mettenhof den zweitniedrigsten Beteiligungswert unter den 30 Kieler Stadtteilen. Stärkstes Milieu sind hier die Prekären mit über 32 Prozent, dicht gefolgt von den Hedonisten sowie – schwächer vertreten – den Traditionellen.

Im verbleibenden Viertel der Haushalte fallen höchstens die Bürgerliche Mitte sowie die Sozialökologischen als nennenswerte Gruppen auf (elf bzw. fünf Prozent), alle sonstigen Milieus sind bestenfalls sporadisch vertreten. Die Verteilung der Bildungsabschlüsse erinnert stark an Gaarden-Ost, wenngleich das Verhältnis zwischen Hochschulreife und fehlenden Abschlüssen ausgeglichener ausfällt. Die Arbeitslosigkeit erreicht in Mettenhof den zweithöchsten Wert innerhalb der Stadtgrenzen. In Sachen Bebauung dominieren die großen Blöcke und Mietshochhäuser mit drei Fünfteln der Haushalte, denen neben mittleren Mehrparteienhäusern (ca. 22 Prozent) eine kleine Minderheit von Ein- und Zweifamilienhäusern (rund 14 Prozent der Haushalte) gegenübersteht.

Ebenfalls recht niedrig – wenngleich weniger drastisch – fällt die Wahlbeteiligung in eher unterprivilegierten Stadtteilen wie Wellingdorf oder Neumühlen-Dietrichsdorf aus.

… wo die Wählerhochburgen sind …

Umgekehrt schafft es der Stadtteil Blücherplatz in die Spitzengruppe der Wahlbeteiligung: 84,9 Prozent der Wahlberechtigten machten hier ihr Kreuz. Gut ein Drittel der Haushalte lässt sich dem Milieu der Performer zuordnen, hinzu kommen relevante Anteile von Liberal-Intellektuellen und Konservativ-Etablierten: Gemeinsam stellen diese drei Milieus deutlich über die Hälfte der Haushalte. Neben über einem Fünftel an Pragmatisch-Adaptiven und weiteren Milieus der Mitte entfallen Hedonisten, Prekäre und Traditionelle fast vollständig. Die Fach- und allgemeine Hochschulreife hält am Blücherplatz einen Anteil von rund 36 Prozent, das Abitur ist hier ebenso häufig vertreten wie der Hauptschulabschuss. Auf 100 Erwerbsfähige kommen lediglich rund drei Arbeitssuchende. Knapp 80 Prozent der Haushalte im Stadtteil Blücherplatz bewohnen kleinere bis mittlere Stadthäuser; zahlreiche Altbauten prägen das Bild dieses Stadtteils.

Mit 83,9 Prozent zählt auch Moorsee zu den wählerstärksten Kieler Stadtteilen. Auffallend ist eine dominante Bürgerliche Mitte mit einem Anteil von rund 35 Prozent, die von relativ zahlreichen Konservativ-Etablierten und Sozialökologischen ergänzt wird (19 bzw. 17 Prozent). Das Bildungsprofil wirkt weniger elitär als am Blücherplatz, jedoch erreicht die (Fach-)Hochschulreife einen Anteil von 29 Prozent und liegt somit in einer Größenordnung mit Realschul- und Hauptschulabschluss (29 bzw. 34 Prozent). Zugleich kann für Moorsee von Vollbeschäftigung gesprochen werden. Hierzu passt die hohe Haushaltskaufkraft von 46.000 Euro, die ihr architektonisches Ebenbild in einer eindeutigen Dominanz von Ein- bis Zweifamilienhäusern oder allenfalls kleineren Mehrfamilienhäusern findet.

Sehr hohe Beteiligungswerte bei solidem bis gehobenem Sozialprofil wurden auch in Stadtteilen wie Rönne, Hasseldieksdamm oder Düsternbrook erreicht.

… und wo die Wahlbeteiligung im Durchschnitt liegt

Im Kieler Durchschnitt liegt der zentrumsnahe Stadtteil Südfriedhof mit einer Wahlbeteiligung von 70,1 Prozent. Hinsichtlich der Milieus lässt sich hier keine klare Tendenz ausmachen: So befinden sich die Anteile der Expeditiven, der Pragmatisch-Adaptiven, der Hedonisten wie der Konservativ-Etablierten allesamt im Bereich zwischen 15 und 20 Prozent. Bezüglich der Bildung herrschen wie in den wählerschwachen Stadtteilen die Haupt- und Realschulabschlüsse mit einem gemeinsamen Anteil von rund zwei Dritteln vor;

jedoch liegt der Anteil der Personen mit Hochschulreife höher und die Zahl der Menschen ohne Abschluss im Vergleich niedriger als beispielsweise in Gaarden-Ost. Passend zum durchmischten Stadtteilprofil liegt auch die Arbeitslosigkeit im mittleren Bereich. Bei den Haustypen dominieren städtische Mehrfamilien- und Mietshäuser das Bild.

Fazit

Die Wahlbeteiligung ist auch in Kiel – wie in allen anderen untersuchten Großstädten Deutschlands – sozial gespalten. Während in sozial besser situierten Stadtteilen überdurchschnittlich viele Menschen ihr Wahlrecht ausüben,

ziehen sich in den ökonomisch schwächeren Vierteln viele Menschen aus der demokratischen Teilhabe zurück. Das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013 ist deshalb auch in Kiel, gemessen an der Sozialstruktur der Bevölkerung, nicht repräsentativ.