Stadtbericht

Freiburg

In Freiburg täuscht der Wegfall der Briefwähler über die noch größeren Dimensionen der demokratischen und sozialen Spaltung hinweg. Dennoch trennt allein bei der Urnenwahl bereits eine Kluft von über 18 Prozentpunkten die Stadtteile Weingarten und Lehen. In den Vierteln mit der geringsten Beteiligungsquote entstammen rund zweimal mehr Haushalte den sozial benachteiligten Milieus, die Arbeitslosigkeit ist anderthalbmal so hoch.

Mit 76,7 Prozent lag die Wahlbeteiligung in der Stadt Freiburg zwar über dem Bundesdurchschnitt (71,5). Dennoch verbirgt sich auch in Freiburg hinter dem gesamtstädtischen Durchschnittswert eine stark ausgeprägte soziale Ungleichheit bei der Wahlbeteiligung, obwohl für diese Studie nur die Urnenwähler berücksichtigt werden konnten. Die Urnenwahlbeteiligung lag für die Gesamtstadt bei 53,3 Prozent. Eine Einbeziehung der Briefwähler hätte – wie die entsprechenden Analysen anderer Großstädte zeigen – die soziale Spaltung der Wählerschaft noch verschärft. Insgesamt zeigt sich auch für Freiburg: Während in gut situierten Stadtvierteln nach wie vor überdurchschnittlich viele Menschen ihr Wahlrecht wahrnehmen, sind die sozial schwächeren Stadtviertel die Hochburgen der Nichtwähler.

  • Weingarten 45,7 %
    Lehen 63,4 %

  • Haslach-Egerten 47,6 %
    Vauban 63,4 %

Wo die Nichtwähler wohnen ...

Weit unterdurchschnittlich war die Urnenwahlbeteiligung im Stadtteil Weingarten, in dem nur 45,7 Prozent der Wahlberechtigten am Wahlsonntag in die Wahllokale gingen. Mit einem Gesamtanteil von über 75 Prozent ist hier die Konzentration der sozial prekären Milieus stadtweit am höchsten. Ein Drittel aller Haushalte zählt zu den Hedonisten, während jeder vierte den Traditionellen zugerechnet werden kann. Auch hinsichtlich der Bildung schneidet der Stadtteil Weingarten unterdurchschnittlich ab. Rund jeder Sechste hat keinen Schulabschluss, weniger als ein Fünftel haben die Schule mit der (Fach-)Hochschulreife abgeschlossen. Die Arbeitslosigkeit zählt zu den höchsten in Freiburg, gut neun von 100 Erwerbsfähigen sind davon betroffen. Drei von vier Haushalten sind in größeren Miets- und Hochhäusern untergebracht, die somit das Stadtbild prägen.

Besonders das Milieu der Prekären ist überproportional stark vertreten und stellt allein bereits über die Hälfte aller ansässigen Haushalte. Die Verteilung der Bildungsabschlüsse gleicht dem Nachbarstadtviertel Rieth bis ins Detail; (Fach-)Hochschulreife und fehlende Abschlüsse sind bei niedrigen zweistelligen Prozentwerten gleichauf. Analog liegen auch die Arbeitslosenzahlen auf einem Niveau mit Rieth. Drei Viertel der vorhandenen Haushalte sind in großen Wohnblöcken und -häusern untergebracht.

Auch in anderen Stadtteilen mit unterdurchschnittlicher Urnenwahlbeteiligung – wie etwa Roter Berg, Herrenberg oder Moskauer Platz – zeigen sich ähnliche soziale Probleme, wenn auch teilweise mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Ausprägungen bei den einzelnen Indikatoren (vgl. dazu die Tabelle im Anhang dieses Stadtberichts).

… wo die Wählerhochburgen sind …

In Lehen beteiligten sich hingegen 63,4 Prozent der Wahlberechtigten an der Urnenwahl. Dieser deutliche Unterschied von fast 20 Prozentpunkten zu den anderen beiden Stadtteilen ist auch in der Milieu- bzw. Sozialstruktur sichtbar: Die Mehrheit aller Haushalte zählt zu den Milieus des Bürgerlichen Mainstreams, von denen die Bürgerliche Mitte die größte Einzelgruppe darstellt. Mit einem Anteil von fast 40 Prozent sind auch die oberen Schichten stark vertreten. Die Unterschiede im Bildungssektor sind besonders bemerkenswert. Doppelt so viele Menschen verfügen über (Fach-)Abitur (35 Prozent) und nur etwa halb so viele haben keinen einzigen Schulabschluss (sieben Prozent). Mit einer geringen Arbeitslosendichte von rund zwei Prozent befindet sich Lehen im Bereich der Vollbeschäftigung und auch die Kaufkraft von gut 45.000 Euro zeugt vom Wohlstand des Viertels. Die Bebauungsstruktur ist geprägt von kleineren Wohnhäusern mit weniger als zehn Parteien.

Auch im Stadtteil Haslach-Egerten beteiligte sich mit 47,6 Prozent weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten an der Urnenwahl. Jeweils ein Viertel aller Haushalte im Stadtteil entstammen dem Milieu der Hedonisten und dem Milieu der Traditionellen. Die sozial prekären Milieus stellen demnach auch in Haslach-Egerten klar die Mehrheit. Infolgedessen ähnelt auch die Bildungsstruktur sehr stark den vorhandenen Verhältnissen in Weingarten: nur 19 Prozent verfügen hier über einen zum Studium qualifizierenden Abschluss, 13 Prozent der Bewohner haben überhaupt keinen Schulabschluss. Obwohl niedriger als im zuvor beschriebenen Stadtteil, liegt die Arbeitslosigkeit dennoch über dem Freiburger Durchschnitt. Die Kaufkraft zählt darüber hinaus zu den niedrigsten im gesamten Stadtgebiet. Das Stadtbild zeichnet sich auch hier durch einen verschwindend geringen Anteil an Ein- bis Zweifamilienhäusern aus, prägend sind vor allem Wohnhäuser mit mehr als zehn Parteien.

… und wo die Wahlbeteiligung im Durchschnitt liegt

Im Freiburger Durchschnitt liegt Oberau mit einer relativ durchschnittlichen Beteiligung an der Urnenwahl von 53,8 Prozent. Der Stadtteil ist mehrheitlich von den Milieus des Bürgerlichen Mainstreams geprägt, die wirtschaftlich schwächeren und stärkeren Milieus machen jeweils etwa ein Viertel aller Haushalte aus.

Auch bei anderen Kennzahlen zeigt sich die Heterogenität der Bevölkerungsstruktur: Während sich das Bildungsprofil eher den Verhältnissen in Lehen oder Vauban anpasst, sind in Oberau gut doppelt so viele Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen. Die Kaufkraft entspricht ebenfalls eher den Werten in Weingarten oder Haslach-Egerten und auch die Bebauung ist vor allem von größeren Mietshäusern geprägt.

Fazit

Die Wahlbeteiligung ist auch in Freiburg – wie in allen anderen untersuchten Großstädten Deutschlands – sozial gespalten. Während in sozial besser situierten Stadtteilen überdurchschnittlich viele Menschen ihr Wahlrecht ausüben,

ziehen sich in den ökonomisch schwächeren Vierteln viele Menschen aus der demokratischen Teilhabe zurück. Das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2013 ist deshalb auch in Freiburg, gemessen an der Sozialstruktur der Bevölkerung, nicht repräsentativ.